Wiens letzter Schildermaler
Europas einziges Schildermalermuseum, wo Arbeiten von vier Generationen der Schildermaler-Dynastie Samuel ausgestellt sind, befindet sich in Wien. Ein wahrer Schatz, der bei uns in Österreich beheimatet ist, allerdings aber über die Grenzen hinaus weit mehr Bekanntheit hat, als bei uns vor Ort. Dank Robert Bree und Berlin Letters habe ich vor einiger Zeit von Josef Samuel und seinem Museum erfahren! Spontan beschlossen Cornelia @cornlandart und ich einen Ausflug nach Wien zu machen, um in die Welt von über 137 Jahren Schildermaler-Geschichte einzutauchen.
Nahe dem Naschmarkt fanden wir uns dann ein paar Tage später bei Herrn Samuel und seinem Schildermalermuseum zum vereinbarten Zeitpunkt ein. Das Museum ist nämlich nur auf Anfrage geöffnet. Eine kleine Werkstätte am Kühnplatz, die nicht nur österreichische Geschichte erzählt, sondern auch ganz viel Charme versprüht. Da mein Herz ja auch sehr für Buchdruck (Letterpress) und alte Maschinen schlägt, hatte ich mich gleich wie zu Hause gefühlt.
Ein kleines Museum erinnert seit 2004 an einen ausgestorbenen Beruf
Gespannt hatten wir zwei Stunden lang den Erzählungen Herrn Samuels gelauscht und viel über das inzwischen ausgestorbene Handwerk erfahren sowie auch über seine zweite Leidenschaft, die Fotografie. Josef Samuel hatte den Betrieb in 4. Generation noch bis Dezember 2003 geführt. Ich habe seit meinem Besuch im Museum jedenfalls vom Schildermaler-Handwerk (auch bekannt als „Signpainting“) – der Ursprung des neuzeitlichen Handletterings – größten Respekt, denn die Schildermaler waren damals großartige Schriftgestalter und Künstler. Chapeau!
Man steigt fünf Stufen hinab in eine versunkene Arbeistwelt – in die des Schildermalens. Der Boden ist übersät mit bunten Spritzern, in der Luft liegt der Geruch von Firniss und Terpentin, an den Wänden hängen historische Schilder, die in feinster Handarbeit entstanden sind. Wir befinden uns direkt in der kleinen Schildermaler-Werkstätte von Josef Samuel im Freihausviertel im 4. Bezirk in der Mühlgasse 7.
Schildermalerei Samuel seit 1882
Der Urgroßvater hatte die Schildermalerei Samuel 1882 gegründet. Die Schilder wurden damals bei Petroleumlampe und Kerzenlicht bemalt. Hier ein Foto der Werkstätte in ihren Anfangsjahren sowie ein paar Lehrlingsarbeiten des Urgroßvaters.
Schilder, schön wie Bilder
Gemalt wurden zur besseren Verständlichkeit meist Bilder und Symbole, da im Vielvölkerstaat der Monarchie viele Sprachen gesprochen wurden.
Nachdem der Großvater die Werkstatt übernahm, sei er als kleiner Junge oft behilflich gewesen, erinnert sich Josef Samuel. Er ist in der Schildermalerei quasi aufgewachsen und hatte bereits in seinen jungen Jahren erste Pinselstriche geübt und Aufgaben übernommen, wie z. B. Farben kaufen. Die nachfolgenden Bilder sind von seinem Vater Arnold Samuel.
Eine Zeitreise der Schrift
Das Museum hat von aufwändigst gestalteten plastischen Schriften, mit Hinterglas-Vergoldung mit Blattgold und Perlmutt-Einlagen, über Glasbuchstaben bis hin zu unterschiedlichen Musterbuchstaben auf Glas, Blech, Holz und Metall eine Menge zu bieten. Hinterglasmalerei, Mauer- und Rollbalken-Beschriftungen kann man ebenso sehen, wie Autobeschriftungen. Dabei durchquert man verschiedene Schriftstile und Zeitepochen – allen voran natürlich Jugendstil mit seinen unverkennbaren Schriften und Ornamenten.
Herr Samuel erklärte uns natürlich auch, wie man Farbpigmente zu einer brauchbaren Konsistenz gemischt hatte. Marmorlaufer und Farbmühle wurden zum Zerreiben des Farbpulvers verwendet. Diesem Pulver wurde dann Firniss als Fett, Terpentin als Verdünnungsmittel, Kautschuklack und Sikkativ beigefügt und ca. zehn Minuten gerieben. Wir durften natürlich einen Blick in die Laden der Farbpigmente werfen. Dabei ist uns auch eine richtige „Hasenpfote“ unter gekommen. Was es mit der auf sich hat, sowie die ganze Geschichte des Museums in bester Bild- und Tonqualität, wurde von Tom Koch in einem wunderbaren Video festgehalten. Ich kann es an dieser Stelle nur sehr empfehlen!
Ein herzliches Dankeschön an Josef Samuel!
Es war uns eine Ehre und ein großes Vergnügen, Sie persönlich kennen gelernt zu haben. Wir hoffen, dass das Schildermalermuseum noch sehr lange ihre Türen und Fenster öffnen wird und noch ganz viele Leute mit Schriftgestaltung und Schildermalerei begeistern kann. Wir kommen jedenfalls gerne wieder!
Und wenn du jetzt auch richtig Lust darauf bekommen hast und einmal zufällig in Wien sein solltest, nimm doch gerne mit Herrn Samuel Kontakt auf: www.schildermalermuseum.at
TIPP: Im Februar 2019 erschien auch auf dem Wiener Stadtsender W24 ein toller Beitrag inkl. Video von Josef Samuel und seinem Schildermalermuseum mit dem Titel: „Josef Samuel ist Wiens letzter Schildermaler-Meister. Sein Museum ist eine Hommage an die alte Zunft.“ Ein sehr passender Titel, wie ich finde!
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